Als ob man lächelt

Das Leben ist kein Fußballspiel. Hollahi, hollaho. Wer viel spielt, verliert auch viel. Hollahihaho. Und wenn du mal verloren hast, hollahi, hollaho, hat es eben nicht gepasst. Hollahihaho. So geht bekanntermaßen die elfte Strophe eines deutschen Volksliedes. Wenn Fußi zu irgendwas gut sein kann, dann doch wohl dazu, den Umgang mit Niederlagen schon früh einzuüben. Wenn man hinfällt, steht man eben wieder auf. Dieser Gedanke scheint aber noch nicht im ganzen Land verbreitet zu sein. Dass die deutsche Mannschaft jetzt nach Hause fahren muss, ist doch auch seltsam. Sie könnten schließlich auch da bleiben und jetzt mal ganz entspannt im Stadion Fußball gucken. Das scheint aber im Prozedere nicht vorgesehen zu sein. Seit meinem elften Lebensjahr bin ich an den Wochenenden der Saison zu Reitturnieren gefahren. Erst als Voltigierkind, dann als Spring- und Dressurreiter. Voltigieren war ein Mannschaftssport, da gab es immer Schleifen und Medaillen. Sobald ich aber allein antrat, war ich meistens raus, bevor ich das Wort „Dressurviereck“ zu Ende gesprochen hatte. Deswegen bin ich aber nicht von meinen Eltern abgeholt worden. Ich war auch nicht traurig. Im Gegenteil. Ab sofort ging es mir richtig gut. Ich aß Bratwurst, trank Cola und hatte eine tolle Zeit ohne Lampenfieber oder sonst irgendwelche Unannehmlichkeiten. 

Denn am Samstagabend war Reiterball. Deswegen war man ja eigentlich überhaupt hingefahren. Es war jedesmal ein Riesenspektakel. Ich kannte so etwas sonst nicht. Alle saßen zusammen, schön getrennt nach Vereinen, man konnte die anderen sehen, ach da sitzen die Bötzower, dass sind die Granseer. Und manchmal gab es später gewisse Vermischungen und Austauschbewegungen. Es war immer spannend, zu sehen, wer mit wem tanzte. Als Elf-, Zwölf-, Dreizehnjähriger war man jenseits aller Gefahr, selbst tanzen zu müssen. Man trank ja auch keinen Alkohol! Man war in Sicherheit und es konnte einem nichts passieren. Was natürlich Blödsinn ist. Man konnte sich trotzdem verlieben, das ist in diesem Alter ziemlich schlimm. Mich hat es bei Ines erwischt, die drei, vier Jahre älter war. Wir gingen in die gleiche Schule. Nach ein paar Wochen hatte ich ihren kompletten Raumplan und tauchte in jeder Pause ganz zufällig - huch - vor ihrem jeweiligen Unterrichtsraum auf. Sie hat das ziemlich schnell gecheckt und sie hat es sich sehr deutlich verbeten. Mit welchen Worten weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch an meine heißen Ohren.

Das alles werden die Nationalspieler nun nicht erleben, wenn sie gleich wieder nach Hause fahren. Aber bei Fußi scheint es ja ohnehin darauf anzukommen, möglichst grimmig zu gucken und dabei schön viel Krach zu machen. So wie bei den germanischen Stämmen, wenn sie in die Schlacht zogen. Nun haben sie die Schlacht eben verloren. Vielleicht zeigt ihnen ihr Yogi jetzt mal, wie man freundlich guckt. Es ist gar nicht schwer: Mundwinkel und Augenbrauen nach oben ziehen. So bleiben. Sieht aus, als ob man lächelt.




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