Kinder, waren wir mal jung! Gerade ist mir ein Bild von meinem ersten Italien-Urlaub in die Hände gefallen. Laut Datumstempel war das im September 1994. Da war ich 27 Jahre alt und bin noch mit meinen Eltern in den Urlaub gefahren. Ich hatte zwar gerade das Studium abgeschlossen, aber der erste Job ging erst im Oktober los und ich hatte keine Kohle. Meine Eltern hatten sich irgend so ein Ferienwohnungsanrecht gekauft und bereisten Europa. Nach Italien nahmen sie mich mit. Als Gegenleistung kaufte ich einen Sprachführer mit Kassette und wollte mich als Dolmetscher nützlich machen. Ich hatte auch schon ein paar Jahre einen Führerschein und bot zusätzlich Fahrdienste an. Mein Vater hatte sich einen neuen Clio gekauft und wollte nach dem ersten Fahrerwechsel dann doch lieber selbst fahren. Ich machte irgendetwas falsch. Die italienischen Sätze, die ich auswendig gelernt hatte, kamen während unseres gesamten Aufenthaltes nicht vor. Dafür sehr viele andere Sätze, die wir aber alle nicht verstanden. Meine Sätze kann ich heute noch: „Apra la valigia grande per favore!“ „Hai qualcosa da dichiarare?“ „Al confine c'è una coda di macchine.“ Ich habe sie bis heute noch nie gebraucht.
Ich sagte, ich könnte ja die Wanderkarten lesen. Meine Eltern waren froh. Dann haben wir uns total verlaufen und mussten in einem Unterstand biwakieren. Zum Glück hatte mein Vater immer genug Elf-Uhr-Bier im Rucksack und meine Mutter belegte Brote. Am Ende stellte sich heraus, dass ich wie immer total nutzlos war und meinen Eltern nichts als Scherereien einbrachte. Das ganze elendig langwierige Studieren hatte überhaupt nichts gefruchtet. Es gehört nun zu den großen Wundern in meinem Leben, dass ich diese Eltern hatte, die mich mein Versagen nie spüren ließen und die mir immer aus der Patsche halfen, wenn sie es denn konnten. Es war Liebe. Nur durch sie kann ich heute immer noch mit großem Selbstbewusstsein auftreten wenn ich behaupte, Stroh zu Gold spinnen zu können, um dann grandios zu scheitern.
Es ist ein Geschenk, dass ich danach einfach wieder aufstehen kann und weiter machen, als wäre nichts gewesen. Vielleicht habe ich die eine oder andere Sache inzwischen doch gelernt. Italienisch jedenfalls nicht und Autofahren gehört offensichtlich auch nicht gerade zu meinen Stärken. Eine Sache entwickelt sich jedoch gerade, über die man unbedingt verfügen sollte, wenn man ein starkes Selbstbewusstsein besitzt und nicht zum Horror-Clown mutieren will: Demut.
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