Früher habe ich alles Mögliche unternommen, um die Fliegen aus meiner Wohnung auszusperren und fernzuhalten. Ich hatte Netze vor den Fenstern und Säcke vor den Türen. Die Fliegen kamen trotzdem rein. Ich war ständig auf der Jagd und vor allem konnten die Fliegen nicht mehr lebend hinaus. Nur als Fliegenleiche konnten sie die Wohnung wieder verlassen. Das macht etwas mit einem. Man findet so leicht keinen Frieden mehr. Heute lebe ich mit meinen Stubenfliegen in friedlicher Hausgemeinschaft. Auch Fliegen haben einen Rhythmus. Abends sind sie ziemlich zeitig verschwunden. Dafür sind sie morgens früh wach. Sie kommen an mein Bett, fliegen mir um den Kopf herum und tun so, als würden sie sich in meinem Haar verfangen. Es hilft dann nichts: ich muss aufstehen. Dann ist es auch wieder gut. Sie sind viel bessere Haustiere als Katzen. Ich muss sie nicht füttern, ich brauche sie nicht raus- oder reinlassen und sie machen keinen Dreck. Wenn ich ihnen tief in die Facettenaugen schaue, kann ich fast ihre Gedanken lesen.
Ich kenne Wohnungen, in denen die teuflischsten Vorrichtungen aufgebaut sind, um den Fliegen den Garaus zu machen. Das Arsenal reicht vom Klebe-Fänger über die elektrische Fliegenklatsche bis hin zur Ultraviolett-Falle. Alles nur um die Tiere möglichst effizient in Massen hinzumeucheln. Ich glaube, dass es einen Zusammenhang zwischen der Gewöhnung an die massenhafte Insektenvernichtung und dem Holocaust gibt. Wenn man erstmal nichts mehr dabei findet, Schädlinge auszurotten, ist es nur noch ein kleiner Schritt, irgendwelche Gruppen, die einem nicht passen zu Schädlingen zu erklären.
Allerdings habe ich auch noch eine Fliegenklatsche. Aber eine herkömmliche und keinen elektronischen Fliegengrill. Ich mache immer weniger Gebrauch davon. Vielleicht merken sich die Fliegen das und kommen mir zu Hilfe, wenn ich einmal in Not bin. Wenn zum Beispiel Einbrecher in meine Wohnung eindringen, können die Fliegen übers Fliegennetzwerk in Sekundenschnelle Artgenossen herbeirufen. Ein riesiger Schwarm erscheint aus dem Nichts und schlägt die Einbrecher unverrichteter Dinge in die Flucht. Oder wenn ich beim Joggen im Wald von einem Hund angefallen werde - dann kommen die Fliegen zu Tausenden und der Hund sucht jaulend das Weite. Oder wenn die Nachbarn auf ihrer Terrasse den Fernseher aufstellen, um ein Fußballspiel anzugucken, weil es draußen schöner ist und weil man da rauchen kann. Dann machen ihnen unzählige Fliegen mir nichts dir nichts einen Strich durch die Rechnung und sie müssen mit ihrem riesigen Fernseher ins Wohnzimmer flüchten. Fliegen fliegen. Hunde bellen. Und Menschen machen alles platt.
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