Verteilt Ohrenschützer!

Wenn es nicht so schlimm wäre, wäre es zum totlachen: Die Bahn will die Trinker mit Musik verjagen. Das geschieht ihnen ganz recht. Warum trinken sie auch so viel? Müssten sie ja nicht. Jetzt geht es ihnen an den Kragen. Sie werden mit Musik beschallt. Als ob das noch nicht reichen würde, um diesen grottigen Trinkern den Garaus zu machen, soll es auch noch atonale Musik sein. Atonale Musik!! Die spielt wahrscheinlich im Ultraschallbereich. Trinker können Ultraschall wahrnehmen und leiden beim Abspielen wie Hunde bei einer Feuerwehrsirene. Sie müssen sich dann mit beiden Händen die Ohren zuhalten. Dann können sie natürlich nicht mehr trinken, denn dazu brauchen sie mindestens eine Hand. Nähmen sie die vom Ohr weg, hörten sie den schrecklichen Lärm und müssten sofort wieder zuhalten, wollten sie nicht unter schrecklichen Qualen elendiglich verenden. Soweit der Plan der Bahn. Wer denkt sich sowas aus?

Allerdings weiß jedes Kind, das Harry Potter und die Kammer des Schreckens gelesen hat, wie man sich gegen Lärm wirkungsvoll schützen kann und trotzdem beide Hände frei und einen klaren Kopf behält. Beim Umtopfen von Alraunen entsteht nämlich ein ähnliches Problem, weil die garstigen Pflanzen dabei wie am Spieß schreien, was einen Mann umbringen könnte, wären die Alraunen schon ausgewachsen. Um bei dieser gefährlichen Schulgartenarbeit keinen Schaden zu nehmen, bekommen die Kinder Ohrenschützer - denkbar einfach. Also wird die Bahn mitnichten erleben, dass die Trinker aus ihren Bahnhöfen verschwinden. Vielmehr werden sie einfach Ohrenschützer aufhaben. Darum erteilt ein Kneipenwirt aus Binz auf Rügen Kindern übrigens inzwischen gleich ab 17:00 Uhr Hausverbot. Wahrscheinlich hatten sie Ohrenschützer auf und ließen sich deswegen mit Musik nicht mehr verjagen.

Ich überlege, ob ich an meinen freien Wochenenden nicht mit den Kindern durch die Bahnhöfe ziehen und kostenlose Ohrenschützer verteilen sollte, damit die armen Trinker nicht ihr mühsam erbetteltes Trinkgeld auch noch dafür ausgeben müssen. Vor einhundertunddreizehn Jahren gab es auch schon S-Bahnhöfe in Berlin und es gab auch „Trinker“, die dort herumlungerten. Ein Pastor und Abgeordneter aus Bielefeld namens Bodelschwingh wollte das auch nicht hinnehmen. Aber er kam nicht auf die kranke Idee, sie mit Musik zu vertreiben. Er gab ihnen Arbeit statt Almosen, ein eigenes Bett, einen Schrank und einen Vorhang zum Zuziehen. Er gab ihnen ihre Würde zurück. Und mit Musik hat er sie getröstet.

Kommentare