Wollen und werden

Die Errichtung der Pyramiden von Gizeh war prägend für eine ganze Epoche. In einer zuvor nicht gekannten Kooperationsleistung arbeiteten die Menschen eines ganzen Landes über Generationen hinweg zusammen und erreichten ein gemeinsames Ziel. Wozu diese gewaltige Anstrengung gut sein sollte, erschließt sich uns Heutigen nicht mehr, aber sie hat das Land einst groß gemacht. Unsere Epoche bringt eine vergleichbare Leistung hervor: die Weltraumfahrt. Sie begann eigentlich als strategisches Manöver im Kalten Krieg, hat sich aber zu einem wahren Friedensprojekt entwickelt. Auf keinem anderen Gebiet arbeiten so viele Nationen friedlich zusammen. Vielleicht wird das Ziel dieser Anstrengungen den Menschen in viertausend Jahren ebenso rätselhaft vorkommen, wie uns das Ziel des Pyramidenbaus. 

Es ist allerdings fraglich, was von der Raumfahrt übrig bleiben könnte, das man so bestaunen könnte, wie Pyramiden. Die Weltraumbahnhöfe? Eine Raumstation? Satelliten! Vielleicht sogar ein Bauwerk auf dem Mond, das von der Erde aus zu sehen ist? Mit ziemlicher Sicherheit werden sie sich aber darüber wundern. Was um alles in der Welt wollten diese Menschen im Weltraum? Haben sie wirklich gedacht, sie könnten dort in einer Aluminium-Tonne lange genug überleben, um irgendwohin zu gelangen? Und wohin, glaubten sie, würden sie kommen? Haben sie wirklich gedacht, sie könnten irgendwo ankommen? Was wollten sie finden? Sich selbst? Warum unternahmen sie nicht ebenso große Anstrengungen, um auf den Meeresgrund zu gelangen? Wieso haben sie dort keine Stationen gebaut, wo es definitiv Leben gab? 

Das werden die Menschen in viertausend Jahren nicht mehr klären können. Vielleicht sitzen sie dann schon längst auf dem Grund der tiefsten Tiefsee und wissen aber ganz genau, was die Folgen der Weltraumfahrt gewesen sind: Dass die Menschen nämlich aufgehört haben, sich über Ideologien und Prinzipien zu streiten, weil sie eine gemeinsame Aufgabe hatten, an der sie wachsen konnten. Dass immer mehr Menschen die Schönheit und Verletzlichkeit ihres Planeten erkannten und immer mehr danach fragten, wie sie ihn hüten und bewahren könnten. Dass immer mehr Menschen lernten, in Frieden zusammen zu leben und zu arbeiten. Das könnte einmal das Resultat der Weltraumfahrt geworden sein. Obwohl - oder gerade weil - das nie jemand wollte. 


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