„Der Abschied ist gekommen,
Ich glaub‘, ich füg‘ mich niemals drein,
Dabei hab ich ihm lang schon entgegengeseh‘n.“
Eigentlich hatte ich ja gedacht, so etwas passiert mir nicht mehr. Nie mehr wollte ich mich noch einmal so von einem Menschen berühren lassen, dass es irgendwann anfängt, wehzutun. Ich wollte dies schon schaffen, indem ich unter den Menschen lebte, sie nicht etwa floh oder hasste, sondern indem ich sie liebte. Aber so, dass ich jeden einzelnen von ihnen auch jederzeit wieder loslassen könnte, ohne zu trauern. „Nur so, wie man sich etwa in einen irdenen Krug oder in ein Kelchglas oder in ein Ding von dieser Art verliebt, damit du, wenn es zerbricht, dich seiner Beschaffenheit leicht entsinnst und ruhigen Gemüts bleibst.“ (Epiktet) Aber nun ist es doch anders gekommen.
„Ich hab‘ nie Abschied genommen,
Ohne zerrissen zu sein,
Und einmal mehr wünschte ich jetzt, die Zeit bliebe steh‘n!“
Es war am Rande einer Tagung in Hogwarts. Wir saßen abends noch im Drei Besen auf ein Butterbier zusammen und eine der Schülerinnen bediente uns. Madame Rosmerta war gestorben und ihr Sohn, dem sie solange sie lebte noch zu Hand gegangen war, war auch schon alt und schaffte es kaum alleine, weil wir so viele waren. Ich fragte, wer denn diese Schülerin wäre und Professor McGonagall nannte mir ihren Namen. Ich fand es doch bemerkenswert, dass sie dem armen Wirt so selbstlos half, während ihre Mitschülerinnen alle um den Stammtisch herumsaßen und ihren Spaß hatten. Dann vergaß ich sie wieder, denn schon am nächsten Tag stand mir der Abschied von Erato bevor, der Liebevollen, der Sehnsucht Weckenden, die mich seinerzeit zu den Musen geführt und die ich gerade erst wieder getroffen hatte.
„Doch das Leben ist wie ein reißender Fluß,
Der mich weitertreibt.
Der nie stehenbleibt.
Und erreich‘ ich ein Ufer,
Komm ich doch nur zum Schluß,
Daß ich weitergehen muß.“
Es verging ein ganzes Jahr oder auch zwei. Ich weiß es nicht mehr. Dann trafen wir uns wieder und sie fragte mich, ob sie ein Praktikum bei mir machen könnte. Und dann kam sie zu mir, in mein Dorf am Ende der Welt und hat dort alles verändert. Wir haben zusammen gesungen und die Zeit blieb stehen, wenn wir es taten. Mit ihrem sanften Wesen, ihrer Geduld und Beharrlichkeit hat sie meine Welt verändert. Und das ohne es zu wollen und ohne es zu machen. In dieser unglaublichen Fähigkeit liegt ihre große Kraft und ihre Stärke. Aber es war auch immer so eine Traurigkeit in ihrem Wesen und als sie schon viel länger bei mir geblieben war als gedacht, erfuhr ich von ihr, dass sie fortgehen würde. Weit fort.
„Ja, ich weiß, die Stunden waren
Uns nur kurze Zeit gelieh‘n.
Wir sind uns nur begegnet, wie die Schiffe auf dem Meer,
Die sich im Vorüberfahren
Grüßen und dann weiterzieh‘n,
Dennoch, dich jetzt zu verlassen, fällt mir unsagbar schwer.“
So wird es nun kommen. Sie wird fortgehen und ich werde hierbleiben. Aber: Es ist schon jetzt etwas von ihr bei mir geblieben. Sie hat es mir gegeben in den vielen Stunden, die wir zusammensein konnten. Und nicht nur das. Es wird bald einen neuen Ort auf diesem Planeten geben, der für mich eine Bedeutung bekommt. Es gibt so viele Orte, aber sie bleiben für uns bedeutungslos, solange wir nichts und niemanden mit ihnen verbinden. So bin ich reicher geworden und bei aller Traurigkeit bin ich doch auch voller Dankbarkeit. Und Epiktet folgend will ich „weniger hoffen und weniger bedauern“, sondern mich versöhnen mit dem, was ist, mit der Gegenwart und sie lieben.
„Dein Name wird mich begleiten,
Deine Stimme, dein Gesicht,
Dein Lächeln hab‘ ich tief in mein Gedächtnis geprägt.
Es wärmt mich in dunk‘len Zeiten
Und es leuchtet, wie ein Licht
Auf den Straßen, wenn mir kalt der Wind entgegenschlägt!“
Die Zitate sind aus dem Lied „Abschied“ von Reinhard Mey.
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