Zwei Gläser

Es könnte sein, dass ich heute erfahre, dass ich befördert werde. Mein Urlaub ist vorbei und ich habe in der letzten Zeit ja so einiges von mir gegeben, was vielleicht verkehrt gewesen sein könnte. Dann muss ich meinen Hut nehmen. So sind die Regeln. Vielleicht haben sie schon das ganze Wochenende zusammengesessen und überlegt, was sie mit mir machen. Mein Chef will mich natürlich behalten, weil ich so einen tollen Job mache. Die anderen finden mich aber inzwischen auf meinem Posten nicht mehr tragbar. Freilich könnte mich mein Chef einfach in den Ruhestand versetzen, aber das wäre teuer, weil ich dann sehr lange ruhig bin und jeden Monat ein Ruhegehalt bekomme. Wenn er mich befördert, bekomme ich zwar noch mehr Gehalt, muss aber dafür etwas unruhiger leben. Vielleicht muss ich jeden Tag in ein Büro gehen und dort einen Computer einschalten. Das kann einen schon einen Tag lang beschäftigen. Ich habe gerade eine ganze Stunde gebraucht, um meinen Computer zum Laufen zu bringen! Er wollte einfach nicht starten. Ein grauer Bildschirm und ein Balken, der sich nicht mehr bewegte. Keine Ahnung, was das sollte.

Jetzt ist es auch schon fast wieder Abend. Ich würde mich natürlich lieber tagsüber mit solchen Sachen beschäftigen. Mein Chef weiß, dass ich das gut kann, also stünden meine Chancen nicht schlecht - wenn da nicht noch die anderen wären, die mir das alles nicht gönnen wollen. Zurücktreten kann ich selbstverständlich nicht, denn dann stünde ich mir nichts, dir nichts ohne Bezüge da. Ich habe schon jetzt nicht viele Bezüge. Zwei Kissenbezüge und drei Bettbezüge. Das ist schon alles. Wenn sie mir die jetzt auch noch wegnehmen, muss ich wieder den Schlafsack nehmen.

Das kann ja keiner wollen. Darum werde ich befördert. Oder wir tauschen, das geht natürlich auch noch. Vielleicht werde ich aber auch Botschafter auf einer einsamen Insel. Ehrlich gesagt hätte ich im Moment gar nichts dagegen. Irgendetwas in den Tropen, wo es schön warm ist, schön viel Ananas, Fisch und vielleicht ab und zu mal ein ordentlicher Vogel. Ich sitze in meiner Residenz aus Bambus und Palmblättern mit Blick aufs Meer und schreibe meine Botschaften, vielleicht auf Papier, das mir ein Schiff bringt, das einmal im Jahr kommt. Außerdem bringt es jeweils - na, sagen wir ungefähr 70 Kisten Rotwein. Die Botschaften stecke ich in die leeren Flaschen und ab geht die Post. Ach, und zwei Gläser bitte.

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