Lass uns telefonieren!

Ich wollte eine To Do Liste erstellen. Ich setzte mich hin und schrieb: To Do Liste. Dann wartete ich. Ich habe kürzlich eine Prästationäre Aufnahme im Krankenhaus hinter mich gebracht. Gleich zu Anfang wurde ich belehrt, dass es durch langes Sitzen oder Liegen zu einem Dekubitus kommen könnte. Dann saß ich sehr, sehr lange. Das fiel mir jetzt wieder ein und so veränderte ich nach  einer Stunde meine Warteposition. Aber auch diese Veränderung meiner Lage zeitigte keine Einfälle für eine To Do Liste. Wie es aussieht, habe ich einfach nichts zu tun. Nun wäre ich nicht ich, könnte ich selbst einem solchen Zustand nichts abgewinnen. Ich sprang auf und lief in meiner Wohnung umher. War ich dabei anfangs noch ganz ruhig, machte sich mit der Zeit eine wachsende Erregtheit bemerkbar, die ich als Tatendrang interpretierte. Dem darf man nun nicht sofort nachgeben.

Ich setzte mich in meinen Ohrenbackensessel und stellte eine Telefonverbindung mit meinem Vater her. Nach dem kurzen Austausch der spärlichen Neuigkeiten begannen wir unser übliches Kontakt-Geplauder, das sich schon mal über ein bis zwei Stunden hinziehen kann. Früher wurde ich dabei übellaunig, einsilbig und es ging mir schlecht. Nachdem wir endlich aufgelegt hatten, machte ich mir dann Vorwürfe: Für einen Besuch gehen zwei Tage drauf, kann ich da nicht mal zwei Stunden erübrigen, wenn ich schon nicht hinfahre? Heute telefoniere ich mit einem Ohrstöpsel, der mir völlige Bewegungs- und Handlungsfreiheit während des Telefonats verschafft.   Seit ich das so mache, habe ich kein Limit mehr. Solange ich allein bin, können wir auch telefonieren.

Gleich nach der Begrüßung stand ich auf und ging wieder durch die Wohnung. Als das Kontakt-Plaudern losging, machte ich mich daran, nebenbei die Rumpelkammer aufzuräumen. Ohne Konzept trug ich erst mal alles hinaus, was nicht im Regal stand, um den Fußboden wieder frei zu bekommen. Unserem Gespräch kann ich dabei mühelos folgen. Außerdem habe ich die Gelegenheit, um Rat zu fragen. Offenbar habe ich zu viele Stühle. Was kann ich damit machen? Ein Vorschlag lautete, zwei vor die Tür zu stellen, dorthin, wo die Nachbarn jetzt noch eine Sitzbank haben. Die Sitzbank könnte ich gut auf meinen Balkon stellen. Die Stühle sind leider nicht wetterfest. Was die Nachbarn dazu sagen, findet man nur im Experiment heraus. Gesagt, getan. Dann mussten wir das Gespräch aber leider doch beenden, weil ich auch noch staubsaugen wollte. Dabei fiel mir ein, dass ich den Staubsaugerbeutel schon lange nicht mehr gewechselt habe. Ich glaube, im Beutel befindet sich der Staub meiner Wohnung seit dem Tage meines Einzugs. Eine Goldgrube für die Staubsaugerbeutelarchöologen. Das Modell und die dazugehörigen Beutel gibt es schon nicht mehr, aber ich hatte mir einen schönen Vorrat angelegt, als ich noch ein junger Mann war. Ich muss die Dinger nur finden. Lass uns mal wieder telefonieren!

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