Bei näherer Betrachtung erweisen sich alle Menschen als verrückt. Die Verrücktheit gehört gewissermaßen zum Menschsein dazu. Es ist seltsam, dass es Institutionen gibt, in der die Gesellschaft Verrückte behandeln lässt, denn die Verrücktheit entsteht ja erst durch den Kontakt mit der Gesellschaft. Man wird in sie hineingeworfen und dann muss man ihr als schutz- und wehrloses Wesen begegnen und irgendwie mit ihr klarkommen. Verrückt, wer dabei nicht verrückt würde. Weiterhin gehört es zum Wesen der Verrücktheit, dass man die eigene nicht als solche wahrnimmt. Zumindest ist das so, solange man mit sich selbst allein bleibt. Dann sind immer nur die anderen verrückt, man selbst ist es selbstverständlich nicht. Erst im Zusammensein mit einem geliebten liebenden Menschen erhält man die Chance, die eigene Verrücktheit sozusagen im Spiegel zu betrachten. Um dann herzlich darüber zu lachen.
Damit man so richtig schön verrückt sein kann, müssen immer die Rahmenbedingungen stimmen. Bei mir ging es erst so richtig los, als das Internet in der Wohnung meiner Freundin endlich funktionierte. Sie hat eine Fritzbox, die leider nur einen TAE-Anschluss für ein analoges Telefon hat. Ich besitze eine ganze Kiste voller analoger Telefone, für die ich selbst keinerlei Verwendung habe, was mich zuweilen etwas schwermütig werden ließ. Jetzt witterte ich Morgenluft und übereignete ihr sofort das Gerät, das mir am wertvollsten erschien. Ein zweites brachte ich für mich mit. Um beide Geräte anschließen zu können, kaufte ich einen Verteiler. Nun befindet sich der TAE-Anschluss an der Seite der wandbefestigten Box, neben der sich unmittelbar ein Türrahmen befindet. Der Stecker des Verteilers war etwas breiter, als der Stecker des Telefons. Der Grund dafür war für mich nicht ersichtlich. Ich vermutete reinen Übermut. Jux und Dollerei. Ich hätte einfach die Schrauben für die Wandbefestigung versetzen können. Es schien mir aber noch einfacher, die überschüssige Breite des Steckers abzusägen. Ich wusste, wo meine Freundin eine Eisensäge aufbewahrt und begann sofort mit der Arbeit. Es dauerte nicht lange. Danach war der Verteiler unbrauchbar. Im Stecker befanden sich viele dünne Kabel, die ich alle durchgesägt hatte. Das konnte man ja nicht ahnen. Ich begann sofort mit der Internetrecherche nach einem Gerät, das es mir ermöglichte, ein zweites analoges Telefon kabellos mit der Fritzbox zu verbinden. Man will ja nicht zweimal denselben Fehler machen. Meine Wahl fiel auf einen Telefonadapter von Linksys, der dreimal so viel kostete wie der Verteiler. Egal! Her mit dem Teil. Die Lieferung erfolgte am übernächsten Werktag mit Hermes. Der Adapter hatte zwar keine TAE-, dafür aber zwei Modularanschlußdosen. Das machte nichts. Auch dafür gibt es Adapter.
Das man den Linksys-Adapter kabellos mit der Fritzbox verbinden kann, ist natürlich Augenwischerei. Dafür braucht man wieder ein Gerät, das das WLAN-Signal der Fritzbox auf eine RJ45 Netzwerkbuchse ausgibt. Gibts aber auch. Mein Wohlbefinden steigt proportional zur Anzahl der Geräte, die ich miteinander vernetzen kann. Folglich hatte ich jetzt schon ziemlich gute Laune und ließ mich durch die Kleinigkeit, dass der Linksys-Adapter ganz und gar nicht und überhaupt nicht funktionierte, nicht aus der Bahn werfen. Ich entdeckte durch einen Zufall die Konfigurationsoberfläche des Adapters und vergab erstmal ein Passwort, das ich sofort wieder vergaß. Dann fand ich heraus, dass man den Adapter anrufen konnte. Durch das Wählen einer bestimmten Ziffernfolge ließ er sich zurücksetzen. Als meine Freundin am Abend von der Arbeit kam, hatte ich es schon geschafft, das alle vier Lampen am Adapter leuchteten. Man konnte sogar telefonieren. Mehr war eigentlich nicht zu tun. Aber ich hatte Blut geleckt und war nicht mehr zu bremsen. Ich schrieb Informationen, die ich nicht verstand in Felder, von denen ich nicht wusste, was sie bedeuteten, ohne dass irgendeine Veränderung im bereits Erreichten eintrat oder ich auch nur geahnt hätte, was sich denn hätte verändern sollen. Ich arbeitete weiter bis zur völligen Erschöpfung. Meine Freundin kam zu mir, streichelte mir über den heißen Kopf und flüsterte mir Sachen ins Ohr.
Ich stellte mir vor, dass Gott bei der Erschaffung der Welt gerade genau an diese Stelle gekommen ist. Hoffentlich hat er auch so eine großartige Freundin.
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