Nicht der Rede wert

Es ist an der Zeit, endlich mit den falschen Vorstellungen über die männliche Gedankenwelt aufzuräumen. Teils tragen die Männer selbst zu ihrem Entstehen bei, indem sie entweder aus Angeberei oder aber aus Resignation falsche Angaben über ihr Innenleben machen. Teils setzen Frauen aus Gründen, die mir nicht bekannt sind, Mythen in die Welt. In Wirklichkeit verhält es sich jedenfalls folgendermaßen: Gedanken, wie ich sie hier aufschreibe, kennt das männliche Denken nicht, wenn man es denn überhaupt so nennen will. Wenn ein Mann denken will, muss er entweder sprechen oder schreiben. Er kann seine Gedanken dann hören, wenn er sich selbst zuhört, oder er kann sie nachlesen. Letzteres ist wegen der Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes zu empfehlen. Keinesfalls sind irgendwelche Gedanken da, wenn ein Mann schweigend vor sich hinstarrt. Wenn schon so etwas wie eine geistige Grundstellung vorgestellt werden soll, dann kann man das noch am Besten als eine Art Nebel beschreiben. Es handelt sich um ein gleichförmiges Nichts, das gestalt- und formlos vor sich hin wabert. 

In diesem Zustand kann ein Mann stunden- und tagelang verharren. Er ist dann eigentlich zufrieden und in sich selbst vergnügt. Die Frage "Was denkst du gerade?" trägt nun nichts, aber auch gar nichts dazu bei, diese Ausgeglichenheit beizubehalten, denn normalerweise ist dem Manne sein Zustand nicht bewußt und sein bis eben noch unerschütterlich scheinender Gleichmut bricht über der scheinbar einfachen Frage zusammen, wie ein Kartenhaus. Ein Mann, nach seinen Gedanken befragt, erleidet das Schicksaal des Tausendfüßers, der sagen soll, in welcher Reihenfolge er seine Füße setzt. 

Es kann allerdings passieren, dass aus dem Nebel langsam etwas auftaucht. Wenn man so will, könnte man das natürlich als "Gedanken" bezeichnen. Es dauert jedoch sehr lange, bis sich schemenhaft abzuzeichnen beginnt, worum es sich handeln könnte. Ein Mann, bei dem sich diese geistige Aktivität gerade abspielt, sieht dann tatsächlich so aus, wie ein Genius bei der Arbeit, als brüte er etwas Großartiges aus: Der Blick scheint ein wenig vergeistigt in die Ferne gerichtet, die Haltung strafft sich und der Mund öffnet sich leicht, während die  Zunge langsam und bedächtig über die Lippen streicht. Was bei diesem Heureka-Moment aus dem Nebel auftaucht, ist in der Tat sehr individuell. Es kann alles Mögliche sein. Nur eins ist es mit Sicherheit nicht: Der Rede wert. 

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