Zu Sankt Martin

Eine Alte Dumme Gans Hat Eier. Dieses Merksprüchlein war dazu gedacht, sich die Reihenfolge der Saiten auf der Gitarre zu vergegenwärtigen. Es gab noch mindestens einen anderen Merkspruch, den ich bevorzugte, weil ich den mit der Gans einfach dämlich fand. Allerdings habe ich den vollständig vergessen. Dafür verfolgt mich seit einigen Jahren ein anderer Spruch mit Eiern: Wenn man eine schwierige Sache tun, etwas Außergewöhnliches vollbringen wolle, dann müsse man aber Eier haben. Es gibt so viele Sätze in der deutschen Sprache, die ich nicht verstanden habe und bis heute nicht verstehe. Der mit dem „Eier haben“ gehört dazu. Was war mit „Eiern“ gemeint? Wirklich ein „in einem sackartigen Gebilde befindliches, paarweise angelegtes Organ, in dem der männliche Samen gebildet wird“ (Google)? Oder das vorwiegend als Nahrungsmittel beliebte Naturprodukt, das die Hühner legen? Die Tatsache, dass der Spruch hauptsächlich von Männern benutzt wird legt den Gedanken nahe, die erste Variante sei zutreffend. Das ist deswegen naheliegend, weil ich mich gut erinnern kann, dass wir als Kinder ausnahmslos „Eier“ sagten, wenn wir über Spermien produzierende Keimdrüsen sprechen mussten. Das deutsche Wort für den Testikel wäre uns nicht über die Lippen gekommen und da wir leider kein Latein mehr hatten, mussten wir eben „Eier“ sagen. Und Männer behalten und benutzen nun mal gerne Lösungen, die sich schon in der Kinderzeit bewährt haben.

Aber welchen Nutzen soll man nun aus dem Vorhandensein dieser anatomischen Eigenheit ziehen können? Auch das ist eine Frage, die sich dem männlichen Kinde alsbald aufdrängt und auf die es selten eine zufrieden stellende Antwort erhält. Vielleicht hat der Spruch vom „Eier haben“ in dieser zutiefst unbefriedigenden und unbeendet gebliebenen Bearbeitung der männlichen Identität seine Wurzeln.

Auf der Suche nach der Bedeutung des Ausspruchs landen wir nach sehr langer Recherche schließlich beim Fußball. Der älteste Beleg, den ich bis jetzt finden konnte, ist ein Interview mit Oliver Kahn aus dem Jahr 2003. In jenem Jahr verlor der FC Bayern München am 1. November mit 0:2 gegen Schalke. Bayern-Torwart und Kapitän Kahn wurde nach dem Abpfiff von Tom Bartels zu den Gründen der Niederlage befragt. Die Antwort war natürlich klar: Wer beim Fußball verliert, hat zu wenige Tore geschossen. Mit dem Verhindern von Toren gewinnt man kein Spiel. Das hätte ich gesagt. Kahn hat es auch gesagt. Der Interviewer wollte dann aber noch wissen, was genau gefehlt hat. Kahn antwortete: „Eier, wir brauchen Eier - sie wissen, was das heißt.“ Tom Bartes wußte es. Ich weiß es jetzt auch. Es heißt: Lasst die Gans leben!

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