Die Schaabe

Die Zweifaktor-Authentifizierung ist der neue Inbegriff der Datensicherheit. Sie ist deswegen so sicher, weil selbst derjenige, der sich damit authentifizieren soll, keinen Zugriff mehr auf seine Daten erhält. Vor kurzem wurde ich Zeuge, wie ein Mann am Postschalter gefragt wurde, ob er es selbst sei. Er bejahte und damit war der Fall erledigt. Er bekam seine Postsendung. Mit der Zwei-Faktor-Authentifizierung ist das nicht mehr so einfach. Man wird auch seine Wohnung nicht mehr alleine betreten können. Eine zweite Person muss mit einem zweiten Schlüssel zugegen sein und beide müssen gleichzeitig aufschließen, damit sich die Tür öffnet. Die Schwäche der Zweifaktor-Authentifizierung offenbart sich dann, wenn die Tür aber nur ein Schlüsselloch hat. Man kommt einfach nicht mehr rein. Ich kam in mein Amazon-Konto nicht mehr hinein, weil ich zusätzlich zu meinen Zugangsdaten ein Einmal-Passwort eingeben musste, das per SMS an mein Mobiltelefon geschickt wurde. Die SMS kam aber erst mit einer derartigen Verspätung auf dem Telefon an, dass die Seite schon nicht mehr gültig war und ein neues Passwort verschickt wurde, das wieder erst mit einer Verspätung eintraf, die seine Bestimmung ad absurdum führte. Am Ende hatte ich solviele Einmal-Passwörter, die jeweils aus sechs Ziffern bestanden, dass alle zusammen eine Zahl ergeben hätten, die hier aufzuschreiben ich in diesem Leben nicht mehr geschafft hätte. 

Die sachliche und vorurteilsfreie Betrachtung dieser Entwicklung führt uns unerbittlich zu der alles entscheidenden Frage: Braucht man überhaupt ein Amazon-Konto? Oder: Ist ein menschenwürdiges Leben ohne mindestens einen digitalen Account noch denkbar und möglich? Eine schwierige Frage. Wer von euch ohne Benutzerkonto ist, werfe den ersten Stein.  Als Religionsschüler wurde man von atheistischen Zeitgenossen gern mit der Frage konfrontiert, ob ein allmächtiger Gott einen so schweren Stein erschaffen könne, dass er ihn selbst nicht zu heben imstande sei. Die Frage lässt sich nicht widerspruchsfrei beantworten. Es ist aber ohne Weiteres vorstellbar, dass der hybride Mensch eine Welt erschaffen kann, der er selbst nicht mehr gewachsen ist.  Ich glaube, das Kind-sein ist während meiner Lebensspanne sehr viel komplizierter geworden. Zu meiner Zeit gab es sechs Fernsehprogramme und Festnetztelefon für Privilegierte. Ich wünsche mir das nicht zurück, aber es war einfacher. Leider scheint nun aber die Einfachheit oder Einfältigkeit auch nicht mehr sehr hoch im Kurs zu stehen. Vielfalt ist gefragt und Komplexität. Das wünschte ich mir schon anders, wenn schon nicht für mich, dann doch wenigstens für mein Kind. 

Bei der Schaabe handelt es sich nun um eine zwölf Kilometer lange Nehrung auf der Ostseeinsel Rügen, über die ich eigentlich schreiben wollte. Grammatikalisch betrachtet ist  „eigentlich“ dabei ein Partikel, der auf eine ursprüngliche, aber schon aufgegebene Absicht hinweist. 
Schade. 
Eigentlich.

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