Für immer

In der Römischen Republik gab es in Bezug auf die Amtszeiten der jeweiligen Amtsträger feste Prinzipien. So durfte jedes Amt nur ein Jahr lang ausgeübt werden und eine zweite Amtszeit war ausgeschlossen. Alle Ämter wurden mindestens doppelt besetzt und alle Amtsinhaber waren berechtigt, die Entscheidungen des jeweils anderen zu verhindern oder aufzuheben. Für die Bewältigung besonders wichtiger Aufgaben oder politischer und militärischer Krisen gab es das Amt des Diktators, der ausnahmsweise allein herrschte und dem alle anderen Ämter unterstellt waren. Seine Amtszeit war auf sechs Monate begrenzt. Allgemein wurde erwartet, dass ein Diktator sein Amt niederlegte, wenn der Grund für seine Diktatur erledigt war. Sulla hat sich zum Beispiel gleich mehrfach über die Prinzipien hinweggesetzt, indem er sich erst selbst zum Diktator ernannte und dann dabei elegant auf die zeitliche Begrenzung verzichtete. Immerhin hatte er einen Grund, nämlich die Schreibung neuer Gesetze und die Erneuerung des Staatswesens. So etwas dauert schon mal mehrere Jahre. Als er aber glaubte, damit fertig zu sein, legte er sein Amt nieder und zog sich aus der Politik zurück. Caesar ist offenbar kein Grund eingefallen, außer, dass er es leid war, sich mit seinen Konsul-Kollegen herumzuärgern. Er beschränke seine Amtszeit zwar auf ein Jahr, aber das gleich dreimal hintereinander. Am Ende beschloss der Senat, ihn zum Diktator auf Lebenszeit zu ernennen. Das war im Februar des Jahres 44 vor Christus.

Man kann sich gut vorstellen, dass der Präsident Putin in der Geschichte der Römischen Republik bewandert ist. Er ist ja nun kein Diktator, das nicht, aber seit fast zwanzig Jahren lenkt er die Geschicke des Riesenreiches als Präsident, mit einer kleinen Unterbrechung als mächtiger Ministerpräsident. Michail Kassjanow, der bereits von 2000 - 2004 unter Putin als Ministerpräsident diente, soll gesagt haben, dass Putin für immer Präsident bleiben werde. Das ist noch mal eine gute Weile länger aus nur auf Lebenszeit. Für immer bedeutet nämlich: Für immer. Das hat noch nicht mal der Papst für sich beansprucht. Für immer heißt: selbst wenn sich die Sonne als Roter Riese bis zur Marsbahn erstreckt und die Erde verschluckt hat, selbst dann gibt es noch Putin, den Präsidenten. Und wenn das Universum ins Nichtsein zurückgekehrt ist, aus dem es seinen Anfang nahm, dann steht einer da und ist: Putin, der Präsident.

Mit Caesar ging die Geschichte jedenfalls so weiter, dass seine dauerhafte Diktatur seine Gegner dazu veranlasste, ihn am 15. März des gleichen Jahres zu ermorden. Danach folgten jahrelanges Durcheinander und Bürgerkriege. Dem Präsidenten Putin nach dem Leben zu trachten, würde dagegen gar nichts bringen. Denn er ist ja nicht Präsident auf Lebenszeit. Sondern für immer.

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