Mein Leben

Ich bin seit gut fünf Monaten verheiratet und unser gemeinsamer Ehename ist der Geburtsname meiner Frau. Da ich nun allerdings zuvor schon etliche Dekaden unter meinem Geburtsnamen firmiert habe, bekomme ich noch gelegentlich Post, die sozusagen an meinen Mädchennamen adressiert ist. Da das bei den Postboten mitunter für Verwirrung und bei mir vielleicht durch Nichtzustellung zu gelegentlichem Informationsverlust führen könnte, entschloss ich mich, am Briefkasten ein zweites Namensschild anzubringen. Ich schrieb meinen alten Namen mit Grossbuchstaben auf ein weißes Pflaster. Da ich noch Kästen mit leeren Flaschen hinunterzutragen hatte, klebte ich mir das Pflaster auf die rechte Brustseite meiner Winterjacke.

Wir wollten an diesem Nachmittag viel erledigen: Diverse Einkäufe, Rezept beim Arzt abholen, Autowäsche. An der Tankstelle kaufte ich den Waschbon und bat um eine Einweisung in die Waschanlage. Ich wäre neu hier. Die Frau an der Kasse guckte kurz irritiert, gab mir dann aber bereitwillig und ausführlich die gewünschten Informationen. Ich sprang wieder zu meiner Frau ins Auto, fuhr mit ihr vor die Waschanlage und belehrte sie abschließend und endgültig über die Bedienung von Autowaschanlagen. Meine Frau bekam sofort leuchtende Augen und gute Laune. Das beflügelte mich und ich wurde in meinem Vortrag noch etwas freier und kreativer. Dann musste sie lachen. Sie lachte und lachte. Wer sie nur einmal lachen gehört hat, wird mich verstehen: Ich war am Ziel. Ich hatte alles erreicht, was ich mir nur wünschen konnte. Mein Leben hat überhaupt keinen anderen Zweck, als den, meine Frau zum Lachen zu bringen. Tränen liefen ihr übers Gesicht, mit der einen Hand hielt sie ihren Bauch, mit der anderen zeigte sie auf meine Jacke. Das Namensschild. Ich hatte es vergessen.

Supermarkt, Arzt und Tankstelle hätten nun genau wissen können, mit wem sie es zu tun gehabt hatten. Außer meiner Frau hat aber niemand adäquat reagiert, was mich jetzt doch ein bisschen kränkt. Vielleicht konnten sie das Schild ja auch nicht richtig lesen. Die Position an der Brust ist zumindest für Gleitsichtbrillenträger ein bisschen ungünstig. Man muss dann sehr nah herankommen und so nach unten durch die Gleitsichtbrille das Namensschild fixieren, was auch wieder falsch verstanden werden könnte. Ich habe mir jetzt überlegt, mir das Schild beim nächsten Mal gleich auf die Stirn zu kleben. Angelehnt an ein beliebtes Gesellschaftsspiel könnte ich dann fragen: Bin ich eine berühmte Persönlichkeit? Oder „bin ich ein Falke, ein Sturm, oder ein großer Gesang“.

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