Die Geduld ist eine in Vergessenheit geratene Tugend. Sie beinhaltet das Warten-Können, aber auch das Aus- und Stillehalten. Wann etwas anfing in Vergessenheit zu geraten, ist im Nachhinein immer schwer zu rekonstruieren. Vielleicht war es das Aufkommen der Digitalfotografie, das der Geduld letztendlich den Gar aus machte. Vorbild war natürlich das Fernsehen, das zeigte, dass es möglich war, Bilder elektronisch zu übermitteln. Bis zur Digitalzeit knipste man seinen 36er Film voll und brachte ihn zum Fotoladen oder zur DLK-Komplexannahmestelle. Auf Farbfotos wartete man drei Wochen. Wer nicht soviel Geduld hatte, richtete bei sich zu Hause ein kleines Fotolabor ein. Fotolaborieren war in der DDR ein sehr verbreitetes Hobby, wozu man aber auch schon einige Geduld brauchte.
Heute will aber keiner mehr warten. Es muss alles sofort passieren. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich beim Absenden einer Amazon-Bestellung damit rechne, dass es klingelt - und ein bisschen enttäuscht bin, wenn dann nur eine automatische Email kommt. Dass es beim Arzt und bei Behörden noch Wartebereiche gibt, ist ein Anachronismus, der sehr schmerzlich als solcher empfunden wird. Bahnhöfe und Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel tun dagegen so, als müsste man nicht mehr warten, was freilich eine gemeine Lüge ist. In Zwickau experimentieren sie mit Gehirnwäsche an den Anzeigetafeln für die Straßenbahn: Die Anzeige beginnt bei 9 Minuten und nach 1 Minute steht dann da: SOFORT - das letzte Wort, bevor endlich die geheizte Bahn kommt und einen alle Qualen vergessen lässt.
Über die katholische Kirche und den Papst kann man nun denken was man will. Die Geduld kann man ihnen aber eigentlich nicht absprechen, wo sie schon so lange auf die Wiederkehr des Messias warten und schließlich auch wieder vom Ablass abgelassen haben, der ja auch nur ein sehr früher Sofortismus war. Nun heißt es, der Heilige Vater höchstselbst hätte vor den Augen der ganzen Welt die Geduld verloren, weil er, nachdem er gutgläubig seine Hand gegeben, sie nicht gleich wieder zurückbekommen hat. Wenn man sich das Video jedoch genauer anschaut, sieht man doch recht deutlich, dass von „Hand geben“ keine Rede sein kann! Sie wurde übergriffig genommen, als der Heilige Mann sich schon wieder abgewendet hatte. Die Frau kann froh sein, dass Franziskus sie nicht in irgendwas verwandelt hat, das gar keine Hände hat. Und zwar sofort.
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