Die wahren Helden

Mitunter erfordern die Zeitläufte auch mein beherztes Eingreifen. Mir wurde das bewusst, als ich am Freitag den damaligen Ministerpräsidenten Kemmerich im Fernsehen auftreten sah. Zwei Tage vorher war er gewählt worden und einen Tag zuvor hatte er auf einer Pressekonferenz gesagt, dass ein Rücktritt unvermeidlich sei. Das er damit nicht sich selbst gemeint haben konnte, wurde am Freitag klar, als er in die Kameras hinein vorlas, dass ihm Juristen zum jetzigen Zeitpunkt von einem solchen Schritt abgeraten hätten. Es gäbe einfach zu viel zu tun und einer müsse es ja machen. Mir war sofort klar: So wird das nichts. Da ich gerade in Thürigen war und nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, am nächsten Tag in die Staatskanzlei nach Erfurt zu fahren und reinen Tisch zu machen. Was ich dafür im Einzelnen zu tun hätte, war mir nicht klar. Aber versuchen musste ich es. Ich wusste auch noch nicht, welche Rolle die Erfurter Feuerwehr bei der Sache spielen würde. Ich glaube vor kurzem in der Zeitung gelesen zu haben, welche Rolle der Passauer Feuerwehr einmal von einem anderen Ministerpräsidenten zugedacht war. Franz Josef Strauß wollte sie in Marsch setzen, wenn es dem österreichischen Bundesheer etwa einfallen würde, Deutschland anzugreifen. 

Der Ministerpräsident Kemmerich scheint das auch gelesen zu haben. Da er ja am Samstag noch eine Ein-Mann-Regierung bildete und de jure wie de facto dem Innenressort vorstand, könnte er durchaus derjenige gewesen sein, der die Erfurter Wehr in Gestalt eines einzelnen Löschfahrzeuges auf den Erfurter Bahnhofsvorplatz beordert hat. Offenbar sollte sie dort jeglichen Widerstand durch den gezielten und rücksichtslosen Einsatz von Blaulicht und Martinshorn im Keim ersticken. Womit auch immer die Kameraden jedoch bei diesem Einsatz gerechnet hatten, sie waren nicht im Mindesten auf das vorbereitet, was dann kam: Ich selbst betrat den Bahnhofsvorplatz. Das tonnenschwere Fahrzeug führte ein halbherziges und unkoordiniertes Wendemanöver aus und fuhr dann mit größtmöglicher Geschwindigkeit und unter Einsatzer aller verfügbaren Sondersignale Richtung Innenstadt davon. 

Ich zuckte mit den Schultern und begann sofort damit, den Weg zur Staatskanzlei auszukundschaften. Dabei passierte ich verschiedene Wirtshäuser, in die ich jeweils einkehrte, um die Stimmung in der Bevölkerung zu erkunden. Um mich noch mehr mit ihnen gemein zu machen, fand ich sehr schnell heraus, welches das jeweils bevorzugte Getränk im Hause war und bestellte es mit verstellter Stimme jeweils mehrfach, um nicht durch Hast und Eile unnötig aufzufallen. Außerdem hatte ich immer noch keinen Plan, wie ich die Entmachtung des Schrecklichen eigentlich bewerkstelligen wollte. Nach dem zweiten Getränk in der dritten Wirtschaft erreichte mich die Nachricht von der sofortigen Abdankung des Potentaten. Offenbar hatte ich mein Ziel durch meine bloße Gegenwart erreicht. Folgerichtig machte ich mich nicht ohne einen gewissen Stolz auf den Heimweg. In der Staatskanzlei war ich nicht und ich weiß auch immer noch nicht, wo sie sich befindet. Auf meinem Weg zurück zum Bahnhof wurde mir dann aber klar, dass ich meine Rolle in der ganzen Geschichte doch maßlos überbewertet hatte. Ich begegnete den wahren Helden des Tages. Ich sah sie, wie sie ihr Wächteramt ausübten und dafür sorgen, dass wir Einfältigen nicht einfach im Chaos versinken. Und ich verneige mich vor Bernd, das Brot, Maus und Elefant, Sandmännchen, Schnatterinchen und Moppi, Käpt‘n Blaubär und Hein Blöd und all den anderen. Danke!

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