Isaak, der Sohn Abrahams hatte mit seiner Frau Rebekka zwei Söhne. Er nannte sie Esau und Jakob und es waren Zwillinge. Esau kam zuerst und Jakob war der Zweitgeborene. Als die beiden schließlich erwachsen und junge Männer waren, kam Esau eines Tages von der Jagd und er war müde und hungrig. Jakob hatte Linsen gekocht und Esau wollte sie essen. Am Ende des Tages war Esau zwar satt, hatte aber auch sein Erstgeburtsrecht an Jakob abgetreten. Er hatte sich gefragt: ich muss sowieso sterben, was soll ich da mit meiner Erstgeburt?
Man kann ja heute vom Erstgeburtsrecht halten, was man will. Von Linsen auch. Aber soll man eines schnöden Grundbedürfnisses wegen ein Rechtsgut geringachten? Wo kommen wir denn da hin? Zumindest das sollte man sich doch mal fragen.
Nun, man kann zum Beispiel in die Bundesrepublik Deutschland kommen, wenn man Freibier und Würstchen und Video, Malboro und GTI für den Augenblick begehrenswert findet. Sterben müssen wir sowieso, was sollen wir da mit einer zweiten demokratischen Republik?
Als ich geboren wurde, war die DDR noch keine 20 Jahre alt. Die Liebe zu diesem Staat habe ich, wenn schon nicht mit der Muttermilch, dann doch von Kindesbeinen an in mehr oder weniger bekömmlichen Tagesrationen verabreicht bekommen. Warum war weitere zwanzig Jahre später nichts, aber auch gar nichts davon auf fruchtbaren Boden gefallen? Weil alles Heuchelei gewesen ist? Weil jede Kindergartenerzieherin und jeder Lehrer so wie ich Tagesschau guckten und lieber Bundes- als DDR-Bürgerinnen gewesen wären? Weil der Sozialismus als Ideologie eben polarisierte, in Gläubige und Ungläubige? Ich weiß es heute einfach nicht mehr. Aber ich weiß noch, dass ich ein Oktoberklub-Lied mit echter Begeisterung und Gänsehaut gesungen habe: „Unter einen Hut und dann alles für den Frieden. Nicht nur einfach Wut, sondern Arbeit, jeden Tag. Für eine Erde der Kinder, die sich zu erben lohnt, weil da nicht mehr der Schinder von Mensch und Erde wohnt.“
Sollte ich etwa mitschuldig daran sein, die Zukunft unserer Kinder um ein Linsengericht verkauft zu haben? Ich höre in mich hinein und zumindest höre ich keinen Schuldspruch. Einen Freispruch aber auch nicht, sondern wieder: „Nicht nur einfach Wut, sondern Arbeit jeden Tag.“ Es ist nicht zu spät. Isaak war 60 Jahre alt, als die Zwillinge geboren wurden!
Es lohnt sich noch.
Es lohnt sich wieder.
Es lohnt sich immer.
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