Langeweile und kein Klopapier

 Mein Vater erzählte mir vor kurzem, Babys würden oft nur schreien oder weinen, weil sie Aufmerksamkeit und Zuwendung wollten. In Wirklichkeit hätten sie gar nichts. Psychologen hätten das herausgefunden. Er hat allerdings nicht gesagt, welche Handlungsempfehlung die Psychologen aus dieser Erkenntnis abgeleitet hätten. Immerhin wenden sich Eltern oder andere Bezugspersonen ja auch nur deshalb dem schreienden Baby zu, damit das nervtötende Geschrei wieder aufhört. In Wirklichkeit haben sie auch nichts; schon gar nicht das Bedürfnis, Fratzen zu schneiden oder lustige Geräusche zu machen. Man fragt sich also schon, was die Psychologen da eigentlich erforschen. Heute stand nun tatsächlich in der Zeitung, dass sie herausgefunden hätten, dass es an der Langeweile liege, wenn Menschen sich destruktiven Verhaltensweisen hingäben. In Wirklichkeit neigen Menschen also gar nicht zum Blödsinn machen, nur die Langeweile treibt sie dazu. Auch hier wieder die Frage: Was folgt denn nun aus dieser Erkenntnis? Es ist ja hinlänglich bekannt, dass ganze Heerscharen damit beschäftigt sind, Donald Trump die Langeweile zu vertreiben. Der Effekt war bislang kein anderer, als beim schreienden Baby: Sobald man mit dem Zuwenden aufhört, geht es eben wieder los. Man könnte auf die Idee kommen, das Gefühl der Langeweile wäre nichts weiter, als die Sublimierung des früh erlittenen Mangels an Zuwendung.

Wenn das stimmte, wäre das tragisch, denn es würde bedeuten, dass man das Gefühl der Langeweile nicht wirklich loswerden kann. Immerhin könnte ich meinem Vater sagen, dass mir diese Befindlichkeit vollständig abgeht. Soweit ich mich erinnern kann, war mir einfach noch nie langweilig. Im Gegenteil, die Weile kann nicht lang genug sein. Wenn ich also destruktiven Blödsinn mache, dann jedenfalls nicht aus Langeweile, sondern weil ich mir etwas dabei gedacht habe. Zum Beispiel habe ich mal den TAE-Stecker eines Telefonkabels zersägt. Danach war das Kabel freilich nicht mehr zu gebrauchen. Vorher hätte er aber nicht in die Fritzbox gepasst, die vielleicht etwas zu dicht in einen Wandwinkel montiert war. Ich hätte zwei Schrauben versetzen müssen. Es erschien mir einfacher, vom Stecker ein Stück abzuschneiden. Das war vielleicht nicht ganz zu Ende gedacht, aber schon wohl überlegt. Von Langeweile kann keine Rede sein.

Neuerdings beobachte ich allerdings  in Ansätzen destruktives Verhalten bei unserem acht Monate alten Sohn. Er hatte sich ein Buch aus dem Regal genommen, was wir durchaus begrüßen und fördern. Dann klappte er es mühelos auf, obwohl man es im Verhältnis zu seiner Körpergröße eher als Folianten bezeichnen müsste. Und dann, ohne Vorankündigung, riß er -  Ritsch-Ratsch - die zweite Seite des Quellenverzeichnisses sauber heraus. Langeweile? Schrei nach Aufmerksamkeit? Von wegen! Klopapierkrise!!

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