Trägheit, Neuschnee und Hangabtriebskraft

Unser Sohn, 10 Monate, entdeckt die Welt. Zuerst zog sie ja nur so an ihm vorbei. Dann eroberte er bäuchlings die Horizontale. Seit ein paar Tagen erstreckt er sich in die dritte Dimension und strebt mit aller Gewalt himmelwärts. Vorbei die Zeiten, in denen man einfach zusammen auf dem Sofa rumlümmeln konnte oder auch nur halb  verschlafen sein Spiel auf dem Fußboden beaufsichtigte. Jetzt muss er sich an jedem Gegenstand, geeignet oder nicht, in die Höhe ziehen. Aufsicht reicht nicht mehr. Jetzt geht es um Sicherung, Unvallverhütung und Erste-Hilfe-Maßnahmen. Man braucht vier Augen und vier Hände und bringt nichts zustande, außer vielleicht den größten anzunehmenden Unfall zu verhüten. Meine Frau kann allerdings nebenbei noch den Haushalt erledigen und Essen kochen. Frauen sind da irgendwie anders aufgestellt. Ich glaube, Mädchen haben als Babys auch nicht diese labile Übergangsphase, in der sie irgendwo hochklettern, runterfallen oder umpurzeln. Erst setzen sie sich hin und gucken sich alles an und auf einmal stehen sie im Bad und machen sich die Haare schön. Aber wir sind nun mal Jungs, mein Kind! 

Jungs werden Männer und richtige Männer machen Homeoffice. Das bedeutet, zwar den ganzen Tag zu Hause zu sein, aber doch nicht da, denn man muss ja arbeiten. Abends ist man dann auch nicht da, denn alles, was man sonst auf dem Weg von der Arbeit nach Hause erledigt hat, muss ja auch noch gemacht werden. Dann will der Chef wissen, was man denn genau im Homeoffice gearbeitet hat. Das macht die ganze Arbeiterei plötzlich ungewohnt ergbebnisorientiert, was auch etwas anstrengt. Darum muss man hin und wieder doch für ein paar Tage ins Büro, um ein wenig auszuspannen. 

Außerdem haben wir jetzt Schnee. Schnee von oben, Schnee von unten, Schnee von gestern. Überall Schnee. Vergangenes Jahr gab‘s keinen und jetzt ist die Aufregung groß. Wir haben einen schönen Schlitten, der jetzt endlich zum Einsatz kommen soll. Der Schnee ist aber leider auch nicht mehr das, was er einmal war, wie sich herausstellte. Es scheint so, als ob er seine Gleitfähigkeit völlig verloren hätte. Ich wollte Frau und Kind darauf zum Rodelberg ziehen, aber wir kamen nicht voran. Ich zerrte und zog, aber der Schlitten stand wie festgeklebt auf dem weißen Zeug. Vielleicht war es gar kein Schnee, sondern Zuckerwatte. Es half nichts, wir mussten zu Fuß weiter und den Schlitten gassi führen. Auch am Berg stellte er sich stur. Es brauchte schon einen ordentlichen Neigungswinkel, bis die Hangabtriebskraft über die Trägheit siegte. Aber dann gab es kein Halten mehr. Und ja, ich kann es nicht anders sagen: Das Jahr fängt gut an. Möge es so weitergehen! 

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