Rote Linien


Am Neujahrstag wollte ich zur Feier des Tages meine bessere Hose anziehen und wenn ich schon mal dabei war, auch mein besseres Hemd. Es handelte sich um die Garderobe, die ich für meine Hochzeit angeschafft hatte, denn vorher waren die guten Sachen für alle Anlässe gut genug. Sowohl Hose als auch Hemd waren nun aber durch das Liegen im Schrank eingelaufen. Die Hose ging zwar noch zu, wenn ich mich nicht hinsetzte. Auch das Hemd lies sich noch zuknöpfen, wenn ich mich mit der Atmung etwas einschränkte. Aber so kommt man nicht durch einen Neujahrstag. Zum Mittag gab es eine Ente mit Klößen und Rot -wein- kohl. Da muss man atmen.  Aber ich wollte wenigstens einen Tag lang gut aussehen. Also habe ich mir die Atmerei weitestgehend verkniffen. Am Abend bekam ich dann dafür die Quittung und sah auch nicht mehr gut aus. Ich erinnere mich nicht, dass ich jemals zum Jahreswechsel das Gefühl hatte, ich hätte zu viel gegessen. Das war immer ein Problem der älteren Männer. Offenbar habe ich eine rote Linie überschritten. 

Aber lassen wir das und erzählen uns lieber unsere Erlebnisse aus den Weihnachtsfeiertagen. Wir wollten es uns in diesem Jahr möglichst einfach machen, die Baumbeschaffung, Weihnachtsmann-Affäre und die Küchenfrage geschickt umgehen und stattdessen die liebe Verwandtschaft mit unserem Besuch erfreuen. Ich schlug vor, die Bescherung vorzuziehen, damit wir nicht alle Geschenke mitschleppen müssten. Meine Frau war darauf nicht vorbereitet und so saß ich am 23. Dezember eine Weile allein vor mich hin, weil sie noch die Geschenke einpacken musste. Ich wartete geduldig, denn Warten ist nun mal der Preis dafür, dass ich so viele Geschenke bekomme. Ich schenke meiner Frau natürlich auch etwas, aber nur Weniges. Sonst sieht es so aus, als versuchte ich, ihre Geschenke aufzuwiegen, was ihr die Freude am Schenken verderben könnte. Daran will ich auf keinen Fall Schuld tragen. Also halte ich mich lieber zurück und bin auch schneller mit dem Einpacken fertig. Später saß meine Frau dann eine ganze Weile allein, weil ich mit dem Auspacken beschäftigt und sie schon fertig war. 

Ich bekam so viele Geschenke, dass ich sie hier nicht alle aufzählen kann. Meine Frau hat sich über ihr Geschenk aber auch gefreut. Dann besuchten wir die Großeltern, wo man für mich einen Weihnachtsmann-Auftritt in der Nachbarschaft klargemacht hatte, den ich wegen der Gender-Gerechtigkeit leider ablehnen, ja, zurückweisen musste. Meine Schippschwägerin hat dann einen guten Job gemacht. Allerdings mit Bart. Hätte nicht sein müssen. 

Kommentare