Der neue Bezahlstandard, der sich immer mehr durchzusetzen scheint, heißt „Kontaktlos". Wir bezahlen kontaktlos. Das hört sich sehr sauber und hygienisch an. Man muss nichts mehr einführen oder hineinstecken. Wer weiß, was man sich da einfängt. Nur noch ranhalten – aber nicht berühren! Das kontaktlose Grüßen gibt es ja schon länger. Man hebt die Hand oder beide Hände und sagt „Ich geb' mal lieber nicht die Hand". Dann weiß man, das Gegenüber hat irgendetwas, dass es anständiger Weise nicht weiterreichen will. So gesehen ist unsere Kommunikation schon seit je her kontaktlos. Die Schallwellen, die meine Stimmbänder erzeugen breiten sich in der Luft aus. Auch optische Signale empfangen wir kontaktlos. Man sieht also, die kontaktlose Informationsübermittlung ist eigentlich gar nichts Neues. Nur die Fortpflanzung gibt es noch nicht kontaktlos. Da muss noch Haut auf Haut und etwas eingeführt werden. Wollen wir das etwa so lassen? Vielleicht wollen wir lieber ein Verfahren entwickeln, bei dem sich die Fortpflanzungswilligen zwar nahekommen – aber nicht berühren! Um Himmelswillen. Sie entblößen vielleicht ihre gepiercten Bauchnabel und richten sie aufeinander aus. Dann nähern sich beide auf weniger als vier Zentimeter aneinander an. Wenn sie genetisch zueinander passen ertönt ein lautes „Piieeep" – und das war's dann. Befruchtet.
Das Gegenstück zu „kontaktlos" heißt übrigens „kontaktbehaftet". Das offenbart ein bisschen, wie sehr die Benennung des Verfahrens in die Irre geht. Es geht nämlich nicht um Kontaktlosigkeit. Es gibt ja nicht nur Berührungskontakte. Es geht darum, dass man sein Zahlungsmittel - ein Telefon zum Beispiel - nicht mehr aus der Hand geben muss. Das würde ich mir nun auch für das herkömmliche Bezahlen mit Geld wünschen. Kontaktlos mit Geld bezahlen, das wär's: Ich halte einen Zehn-Euro-Schein ein paar Sekunden etwa drei Zentimeter über die ausgestreckte Hand der Kassiererin. Dann zieht sie sie zurück und ich stecke mein Geld wieder ein. Fertig.
Wir könnten dieses Verfahren zu jedem beliebigen Zeitpunkt einführen. Oder besser: vorhalten. Jeder hat ja irgendwie Geld und das muss er nicht mehr aus der Hand geben. Für meine Arbeit zeigt mir mein Arbeitgeber eine kleine Tüte mit Geldscheinen. Dann legt er sie wieder in mein Fach. Er braucht kein neues Geld mehr zu verdienen. Er wäre vermutlich viel entspannter. Wenn Kinder irgendwann eigenes Geld brauchen, nun ja, dann müssen eben alle zusammenlegen. Wenn einer stirbt, wird es wieder verteilt. Es könnte sein, dass ich mal für dieses Verfahren den Nobelpreis gezeigt bekomme. Aus der Hand geben sie den Scheck dann nicht mehr.
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