Als ich ein Kind war, hatte ich so gut wie nichts. Alles, was ich mein eigen nannte, passte in einen Pappkarton. Ich weiß das so genau, weil ich diesen Pappkarton mitnehmen wollte, als ich nach einem heftigen Streit mit meiner Mutter in die weite Welt hinein wollte. Die Mutter ließ mir den Pappkarton aber nicht und sie zog mich obendrein noch splitternackt aus. Ich sollte so gehen, wie ich gekommen war. ich bin dann doch lieber geblieben. Bei dem Pappkarton, den ich dann zurück bekam, hätte ich es aber belassen sollen. Aber ich wollte haben und das war der Sündenfall.
Das Haben wollen steht dem Ideal der Besitzlosigkeit diametral entgegen, denn es führt gnadenlos und konsequent zur Anhäufung von Besitztümern. Und was man einmal hat, wird man schwerlich wieder los. Am Ende landet dann alles in einem Container und alle schütteln den Kopf, wie einer denn so viel Müll ansammeln konnte. Dabei geht es uns allen so, denn was wir nicht zu Lebzeiten wegschmeißen, schmeißen nach unserem Tode andere weg. Weggeschmissen wird am Ende aber alles und nichts bleibt. Mein Vater hatte bei seinem letzten Umzug 100 Pappkartons und nahezu alles darin habe ich jetzt weggeschmissen. Was ich nicht weggeschmissen habe, muss ich im Tetris-Verfahren mühevoll irgendwo einsortieren. Und wozu? Damit es andere früher oder später wegschmeißen. Nichts bleibt und gar nichts kann mitgenommen werden. Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Der Zug zur Besitzlosigkeit ist abgefahren. Früher wäre es noch leicht möglich gewesen, aufzuspringen. Aber heutzutage brennt man auch nicht mehr ab. Den Fortschritt im Brandschutz und in der Brandbekämpfung bezahlen wir mit lebenslanger Beladenheit mit Habseligkeiten. Jeder Ortswechsel wird zur logistischen Herausforderung und jede Erbschaft macht uns erdenschwerer. Aber vielleicht müssen wir ja einmal fliehen und alles zurücklassen und können nichts mitnehmen, als unser nacktes Leben und vielleicht einen Pappkarton. Was würden wir mitnehmen? Ein Liederbuch; die Oboe; das Batterieradio und eine Taschenlampe; ein Buch für jedes Kind, ihre Hasen und die Puppe; warme Sachen und die Wärmflasche; und dann: Auf, auf und davon.
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