 Die Geschichte mit meinem verbummelten Ring geht natürlich auch immer weiter. Ein, zwei Wochen bin ich völlig ringlos herumgelaufen, was so etwas wie Phantomschmerz ausgelöst hat. Der ab-be Ring fing an, mir Schmerzen zu bereiten, was er nicht getan hat, solange ich ihn wirklich am Finger hatte. Besonders schmerzhaft war der Anblick der intakten Ring-Hand meiner Frau. Es war nicht auszuhalten. Ring-Neid, wie er in der Fachliteratur beschrieben wird. Nicht therapierbar. Es sei denn, man entscheidet sich für einen Ersatz. Ein Übergangsobjekt quasi oder besser eine Prothese. Ja, ein Ersatz- oder Hilfsring musste her, koste es was es wolle.
Ich fand auch gleich eine einschlägige Internetseite, die relativ kostengünstig und schnell zu liefern versprach. Die Größe ermittelte ich schnell mit Hilfe eines Bindfadens. Blieb noch die Materialfrage. Natürlich kein Gold, aber so aussehen sollte er schon. Die Lösung: Titan. Kann nicht rosten, ist leicht und kann verschiedene Farben haben, ohne dass man es anmalen müsste. Perfekt. Die Lieferung wurde für den übernächsten Tag mit Zeitfenster 10:00 bis 14:00 Uhr angekündigt. Ab 09:00 stand ich mit zwei Kindern im Hof. Gegen Mittag kam meine Frau zurück und ich überwachte die Straße vom Fenster aus. Um 14:00 kam eine Nachricht des Paketdienstleisters, meine Sendung käme heute noch, nur später. Um 14:30 sah ich das Fahrzeug vorbeifahren. Es bog nicht zu uns ab. Dann musste ich in den Kindergarten.
Auf der Treppe erreichte mich die Nachricht, meine Sendung läge im Briefkasten. Aus dem Kindergarten zurück, riss ich die Tüte auf, öffnete das Schächtelchen und da lag er: Goldglänzend, wunderschön und auf dem ersten Blick so groß wie eine Abflussdichtung. Offenbar habe ich zu schlampig gemessen. Es schien so, als hätte ich kein Körperteil, an dem ich den Reifen tragen könnte. Er passte dann doch am Zeigefinger oder am Daumen. Das ging freilich nicht. Ein Umtausch war wegen der Gravur ausgeschlossen. Aber es gibt nichts, was es nicht gibt. Zum Beispiel den unsichtbaren Ringgrößenversteller. Klebt man in den Ring und er passt. Nicht am Ring-, aber am Mittelfinger. Das geht. Es sind nicht mehr unsere Ringe. Aber ich fühle mich ein wenig besser. Eben wie mit einer Prothese.
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