Immer mehr

 

Meine Frau hatte sich für eine halbe Stunde zurückgezogen, um sich ihrem Musikinstrument zu widmen. Eine Zeit, die ich, da das Kind endlich glücklich im Schlafe lag, für eine kleine Schreiberei nutzen wollte. Nur geriet ich durch die aus dem Nachbarzimmer zu mir herüber wehenden Weisen so in Verzückung, dass es mir zwar ganz warm ums Herz wurde, aber kein einziges Wort geschrieben stand, als mein geliebtes Oboenmädchen wieder zu mir zurückkehrte.  

Es ist nun keineswegs so, dass ich mich wegen ihrer Kunst in meine wunderbare Frau verliebt habe. Das kommt daher, weil sie darum keinerlei Aufhebens macht. Sie prahlt und schmückt sich nicht damit und wenn man sie nicht danach fragt oder sie dabei erlebt, erfährt man nicht, dass sie überhaupt ein Instrument beherrscht. Und das tut sie. Es ist in ihren Händen wie ein Zauberstab, der sich seine Beherrscherin ausgesucht hat und durch den sie den Schall nach ihrem Willen formt und gestaltet. 

Ich muss jetzt schließen, denn unser Feier-Abend währt nicht ewig und ich darf unsere Zeit nicht mit rumdaddeln vertun. Am kommenden Sonntag erklingt die Musik, auf die sie sich vorbereitet: Musik zu dritt. Ich bin dankbar, froh und glücklich, dass mein schönes Oboenmädchen ihren Zauberstab wieder hervorgeholt hat, ich bin erleichtert, dass er ihr noch gehorcht und ich wünsche mir, noch an vielen Abenden dem warmen Klang aus dem Nachbarzimmer zu lauschen und dabei kein Wort zu Papier zu bringen. Und außerdem liebe ich sie. Immer mehr.

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